Tall Girls
Inhalt
Tall Girls
Tall Girls – eins davon bin ich. Ich bin Filmemacherin und 1,86m groß. Fünf Jahre habe ich gebraucht, um diesen Film wirklich zu machen. Warum? Weil ich – wie alle großen Frauen bisher nicht gern darüber geredet habe, wie es sich wirklich anfühlt, so groß zu sein. Mit diesem Film gehen wir an die Öffentlichkeit. Das Leben ab 1,85 ist anders. Egal, ob Du Model bist, Basketballerin oder ein völlig normales Leben führst. Hier oben gelten andere Regeln.
Tiiu und Michelle sind Top-Models und zu groß für ihren Job. Arianne hat eine Mutter, die ihre Größe nicht mag. Sarah lässt sich operieren, um nicht 1,90m zu werden, Lea nimmt Hormone, die für Kinder nicht zugelassen sind. Lisa ist zwei Meter groß und könnte ein Basketball-Star werden, wenn sie sich sehr anstrengt. Aber sie möchte lieber ein richtiges Mädchen sein.
Das Internet ist voll von Mädchen, die an ihrem Wachstum verzweifeln und bereit sind, alles zu tun, damit es endlich aufhört. Jeder Kinderarzt hat heutzutage eine Größentabelle an der Wand hängen, an der man von klein auf erkennen kann, ob man normal ist oder nicht.
Aber was ist eigentlich normal? Jede Norm ist ein Durchschnittswert aus vielen Menschen. Die Wahrscheinlichkeit, dass man dieser Norm exakt entspricht, ist sehr gering. Trotzdem wachsen wir in einer Gesellschaft auf, in der uns vielfach über unsere Familie und unser Umfeld sehr deutlich vermittelt wird, ob wir reinpassen oder nicht. Besonders als Mädchen. Groß, laut und selbstbewusst – besser nicht.
Dabei werden wir oft das, was andere in unseren Körpern sehen. Tiiu, Michelle, Arianne, Sarah, Lea und Lisa zeigen in diesem Film, wie sie leben, was sie fühlen und wie sie mit ihrer Größe umgehen. Und was ihre Größe aus ihnen gemacht hat.
Manchmal ist es zum Weinen, oft zum Lachen, vor allen Dingen aber verliebt man sich in diese Tall Girls, die ganz offen zeigen, wie schwer und gleichzeitig befreiend es sein kann, neben der Norm zu leben.
PRESSE
In einem Artikel in der Fachzeitschrift “Betrifft Mädchen” schreibt TALL GIRLS-Regisseurin Edda über ihr Leben als große Frau und die Arbeit am Film.
Es könnte so schön sein: Die Prinzessin streift durch den Zauberwald auf der Suche nach dem Prinzen. Da kommt er auch schon angeritten, lächelt sie an – und seine Augen wandern nach oben. Die Prinzessin ist viel größer als er, er kann sie nicht mal aufs Pferd heben! So stand das nicht im Märchen. Aber dies ist auch kein Märchen, sondern ein Zeichentrickfilm, der eine für große Mädchen sehr reale Geschichte erzählt. Edda Baumann-von Broen, selbst 1,86 Meter, eröffnet mit der kurzen Animation ihren Film „Tall Girls“, der am Donnerstag in die Kinos kommt. …
Protagonistinnen
Michelle Buswell
Model, 188 cm (6’2″)
Die Wahl-New Yorkerin wurde 1983 in Florida geboren und zierte bereits mehrfach Cover der ELLE, Marie Claire sowie Kampagnen von Versace, Chanel und Dior. Modemacher Jean-Paul Gaultier kürte die lebhafte Michelle sogar zu seiner Muse. Gemeinsam mit Tiiu teilt sie sich den Platz des größten Models in der Brache, die beiden Frauen sind zudem beste Freundinnen.
Arianne Cohen
Autorin, 189 cm (6’2″)
Die ehemalige Nationalschwimmerin und Harvard-Absolventin schreibt neben einer Kolumne in der New York Times regelmäßig für die ELLE, The Guardian und die VOGUE. 2009 erschien ihr Buch “The Tall Book”, eine Enzyklopädie für große Menschen, in der Arianne versucht zu ergründen, warum einige große Menschen leiden während andere gut mit ihrer Größe klarkommen. Ihr zweites Buch “The Sex Diaries Project: What We’re Saying about What We’re Doing” erscheint 2012.
Lea
Schülerin, 181 cm (5’11”)
Mit 12 Jahren war Lea bereits 1,84m groß und damit, neben ihrer besten Freundin, das größte Mädchen der Schule. Damals wurde ihr eine Körpergröße von 1,95m vorausgesagt. Um ihr weiteres Wachstum zu regulieren, entschloss sich Lea, 2008 für eine Behandlung mit dem synthetischen Hormonpräparat Sandostatin. Mit 1,88m ist Lea heute ausgewachsen. Derzeit verbringt sie ein Auslandsjahr in einer amerikanischen High School in Südtexas, wo sie wieder einmal das größte Mädchen der Schule ist.
Tiiu Kuik
Model, 188 cm (6’2″)
Obwohl sie bereits mit 14 Jahren als Model entdeckt worden ist, hatte die gebürtige Estländerin auf Grund ihrer Größe zunächst Schwierigkeiten, Aufträge zu bekommen. Ihren Durchbruch feierte sie schließlich in Mailand, wo Tom Ford ihr Potential erkannte. Er markierte ihre Größe auf einer weißen Wand und verkündete, dass ab sofort jeder in seiner Show so groß sein sollte wie Tiiu. Seitdem gehört die heute 24jährige zu einem der erfolgreichsten Models der Brache und läuft zwischen New York und Paris auf allen bedeutenden Laufstegen. Tiius Erfolg löste einen kurzlebigen Trend der extrem großen Models aus, von welchem auch Topmodels wie Julia Stegner und Michelle Buswell profitierten.
Edda
Regisseurin, 186 cm (6’1″)
Als ich 2005 mit den Vorbereitungen für Tall Girls anfing, war es mir ein bisschen unangenehm, über so etwas Persönliches wie meine Größe öffentlich zu sprechen. Heute weiß ich, dass es vielen großen Frauen so geht – gerade auch den öffentlich erfolgreichen. Als Frau sehr groß zu sein, ist eine komplizierte Sache, und man möchte nicht auf seinen Körper reduziert werden.
Anna
Schülerin, 156 cm (5’1”)
Mein Name ist Anna und ich bin 11 Jahre alt. Ich bin groß (1.67m)! Ich bin froh, das ich groß bin, kein Mensch will, glaube ich, ein Erdmuckel sein. Ich finde es toll, dass meine Mutter einen Film übers Großsein gemacht hat. Weil ich ja auch in dem Film mitspiele, kann ich anderen Menschen offen sagen, dass groß zu sein toll ist und man nichts an sich selbst verändern muss! Weil ich so groß bin, spiele ich Volleyball. Dieser Sport macht mir sehr viel Spaß, weil ich mit anderen großen Mädchen zusammen sein kann. Ich würde mich sehr freuen, wenn meine Mutter mit ihrem Film etwas bei Mädchen, die sich zu groß finden, erreichen kann.
Sarah
Schülerin, 177 cm (5’10”)
Durch einen Eingriff, der die Knochenbildung in den Kniegelenken beendet, hoffte Sarah 2009, einige Zentimeter an Körpergröße einzusparen. Ärzte hatten der damals 12jährigen eine Körpergröße von über 1,90m vorausgesagt. Nach der Operation ist Sarah weitere sechs Zentimeter gewachsen. Heute ist sie 1,83m. „Nach der Operation dauerte es einige mühsame Monate, bis ich das Knie wieder beugen konnte. Es war ziemlich schmerzhaft, aber jetzt funktioniert alles wieder. Es gibt viele Menschen die mit ihrer Größe zufrieden sind, ich gehör leider nicht dazu. Ich hasse es immer als die Starke zu gelten, nur weil ich groß bin, und immer für die blödesten Aufgaben gebraucht zu werden, nur weil sonst keiner drankommt. Auf die Frage:” Wie groß bist du?” antworte ich mittlerweile nur noch mit: “Groß.” Natürlich gibt es auch Sonnenseiten, wie bei einen Konzert, da kann man immer alles sehen. Man braucht nur für wenige Sachen einen Sessel um dranzukommen und du bleibst immer in Erinnerung der Menschen, was nicht immer gut ist. Der Film Tall Girls hat mir gezeigt, dass es noch Menschen da draußen gibt, die um einiges größer sind als ich und eigentlich werden die Menschen eh immer größer, also was soll’s.“
Lieke
Schülerin, 193 cm (6’3″)
Hallo, mein Name ist Lieke. Ich komme aus einem Land, das bekannt dafür ist, weltweit die größten Einwohner zu haben: die Niederlande. Da mein Vater über 2m groß ist, war die Wahrscheinlichkeit hoch, dass ich selbst auch groß werden würde. Über die Jahre hinweg wurde mein Wachstum beobachtet, um gegebenenfalls eingreifen zu können. Ich wollte nie größer als 1,86m werden. Als die Ärzte mir dann eine Körpergröße von mindestens 1,96m prognostizierten, entschied ich mich für eine Hormontherapie. Leider habe ich die Tabletten nicht vertragen, also beschloss ich die Hormonbehandlung abzubrechen. Ein Freund erzählte mir dann von einer Knieoperation, die den Wachstumsschub in der Pubertät angeblich stoppen sollte. Das schaute ich mir genauer an. Letztlich ließ ich eine Kniebehandlung durchführen, die aber nicht wirklich geholfen hat. Heute bin ich 1,93m, und somit nur wenige Zentimeter von der Größe entfernt, die mir vorhergesagt worden war. Wie auch immer, all das beschäftigt mich nicht mehr. Das einzige Problem, das ich heute in Bezug auf meine Größe noch habe, ist Kleidung zu finden, die mir passt. Natürlich bin ich oft die Größte in meiner Umgebung, in der Schule, in Läden und an anderen öffentlichen Plätzen. Nach einiger Zeit fühlt es sich gar nicht mehr so sonderbar an. Es hat sogar seine Vorteile. Ich meine, jeder ist in der Lage, mich zu finden, und keiner wird mich je übersehen. Ich muss gestehen: Würde ich heute noch einmal vor der Entscheidung stehen, würde ich mich wahrscheinlich gegen eine Knieoperation entscheiden. Die Operation hat ihre Spuren hinterlassen, körperlich und kosmetisch. Aber, und das ist viel wichtiger, ich bin heute ziemlich glücklich mit meiner Größe, und ich denke niemand sollte sich einen Kopf über ein paar Zentimeter mehr machen.
Susie Orbach
Psychotherapeutin, Psychoanalytikerin und Autorin
Die Expertin analysiert die Darstellung und Wahrnehmung großer Frauen in der Gesellschaft. Sie untersucht unsere Vorstellungen von Schönheit und Andersartigkeit und stellt das Thema des Films in einen größeren gesellschaftskritischen Kontext.
Durch die Nacht mit Anne Imhof und Matthias Lilienthal
Produktion: avanti media plus
Regie: Edda Baumann-von Broen
Jahr: 2019
Dauer: 52 Minuten
clarberlin
Die scheue Performance-Künstlerin Anne Imhof, bekannt geworden durch ihre preisgekrönte Performance „Faust“ bei der Biennale in Venedig 2015, trifft den scheidenden Intendanten der Münchner Kammerspiele, Matthias Lilienthal. Während Imhof hinter ihrer Kunst verschwindet, hat Lilienthal, der sein Theater zu wichtigen Auszeichnungen führte, durch seine Vision eines Stadttheaters öffentlichen Zorn auf sich gezogen: „Ich war der meistgehasste Mensch in München und das wurde mir auch zweimal in der Woche auf der Straße laut schreiend mitgeteilt.“
Der Abend beginnt in den Münchner Kammerspielen, wo Anne Imhof eine visuell spektakuläre, aber etwas unberechenbare KI-Installation betritt und ein mysteriöses Orakel erhält. Danach zieht es die beiden ins Olympiastadion, wo man dem Ideal von heiteren Spielen baulich sehr nahekam, bis ein Attentat die Vision brutal zerstörte. Imhof ist begeistert von dem offenen Dach, während Matthias fast melancholisch über seine letzte große Inszenierung an den Kammerspielen spricht, die auch im Olympiastadion hätte spielen sollte. Beim Essen im Shibuya Fried Chicken Imbiss des Sterne-Kochs Tohru Nakamura konstatieren die beiden, dass die Dinge nach der Pandemie nicht mehr so sein werden wie vorher und dass der Tod in die Gesellschaft zurückgekommen sei.
Danach geht es in die Kunsthalle München, in der die Ausstellung Thierry Mugler: Couturissime auf sie wartet. Lilienthal, der nicht nur äußerlich der Mode trotzt, ist skeptisch, während sich Imhof auf die Ausstellung und einen weiteren Gast freut – die Stargeigerin Anne-Sophie Mutter. Mutter berichtet, dass sie ihr geplantes Sabbatical in 2021 zurück in dieses Jahr verschoben hat, um die jetzt abgesagten Konzerte im nächsten Jahr spielen zu können. Lilienthal erzählt, dass auch sein nächster Job, ein Festival im Libanon leiten, nicht stattfinden wird. Einzig Anne Imhof, die eine Einladung des Palais de Tokyo in Paris bekommen hatte, das gesamte Haus nach ihren Vorstellungen zu bespielen, freut sich über die Verschiebung ins nächste Jahr. Lilienthal kann das nicht nachvollziehen. „Ich will immer alles ganz schnell machen,“ erklärt er, während Imhof konstatiert, dass sie für alles viel Zeit braucht. Anne-Sophie Mutter beschwört die Kraft der Kunst und erinnert daran, dass der Kampf gegen gesellschaftliche Ungerechtigkeit unterstützt werden muss.
Durch die Nacht mit … Pamela Anderson und Srecko Horvat
Produktion: avanti media plus
Regie: Edda Baumann-von Broen
Jahr: 2019
Dauer: 52 Minuten
clarberlin
Pamela Anderson, Schauspielerin und vierzehnfaches Playboy-Covergirl, die sich seit Langem als Tierrechtsaktivistin betätigt und deren gesellschaftspolitisches Engagement der letzten Jahre für Aufmerksamkeit sorgt, trifft Srećko Horvat, den jungen kroatischen Philosophen und Mitbegründer der Bewegung DiEM25, die jetzt zur Europawahl antritt. Anlässlich des interdisziplinären Elevate Festivals in Graz sprechen die beiden über Klimaschutz, Tierschutz und Liebe. Im Laufe des Abends entspinnt sich zwischen dem vermeintlich ungleichen Paar ein sehr unterhaltsamer und erhellender Diskurs über Politisches und Privates und ein überzeugendes Plädoyer für mehr Engagement.
Srećko Horvat holt Pamela Anderson vom Hotel ab. Schon auf dem Weg zum Grazer Schlossberg pirscht sich der erste Autogrammjäger an. Anderson moniert die unzähligen hässlichen Fotos, die es von ihr gibt und sinniert darüber, selbst ein Buch mit ihren schlechtesten Fotos herauszubringen.
Die Nacht beginnt mit einer schaurig-schönen Fahrt mit der Grazer Märchenbahn tief in den Berg hinein, die besonders Gebrüder Grimm-Fan Pamela Anderson begeistert. Auf dem Weg über die architektonisch spektakuläre Murinsel bei Sonnenuntergang sprechen sie über Hugh Hefner und Sex im digitalen Zeitalter. Beide sind sich einig: Monogamie ist die wahre Revolution.
Die Limo wartet bereits, um die beiden zur Eröffnungsveranstaltung des Elevate Festivals im Orpheum Graz zu fahren, wo die Vorbereitungen noch auf Hochtouren laufen. Hier treffen sie den nigerianischen Umweltschützer Nnimmo Bassey und Träger des Alternativen Nobelpreises „Right Livelihood Award“ und sprechen mit ihm über Umweltaktivismus in Afrika. Sehr konkret und informiert spricht Anderson mit Bassey über die Probleme der Wiederaufforstung in Afrika, während es Horvat um das große Ganze geht.
„Nur gemeinsam sind wir stark und können die Zukunft gestalten, die wir haben wollen“, sagt Bassey später bei seinem Auftritt. Als Stargast des Abends betritt anschließend Pamela Anderson die Bühne, die vor einem vollem und gespannten Saal unverstellt über ihren Weg vom Pin-up-Girl zur Aktivistin spricht. Srećko Horvat stimmt im Anschluss mit ein und zusammen erklären sie die Notwendigkeit, aktiv zu werden.
Danach genießen sie ein spätes Abendessen im veganen Restaurant Gingko Greenhouse, das nur für sie geöffnet ist. Zu Andersons großen Überraschung wird nun auch Horvat zum Autogrammjäger: Alle seine Schwestern als auch sein Schwager möchten bitte Autogramme von dem Ex-Baywatch-Star.
Die letzte Location des Abends ist die um 1500 erbaute Grazer Doppelwendeltreppe. An diesem Abend scheint sie ein Symbol für die Diskrepanz zwischen Denken und Handeln im Bereich Umwelt- und Menschenrechte zu sein und ein Appell, beides in Einklang zu bringen. Auf der Zwillingswendeltreppe laufen Pamela Anderson und Srećko Horvat aufeinander zu, um sich wieder voneinander zu entfernen und sich schließlich erschöpft und beseelt zu verabschieden.
Durch die Nacht mit Dmitry Glukhovsky und Kamila Shamsie
Produktion: avanti media plus
Regie: Edda Baumann-von Broen
Jahr: 2018
Dauer: 52 Minuten
clarberlin
Zwei politisch meinungsstarke Autoren treffen sich anlässlich des 70-jährigen Jubiläums der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte für einen nächtlichen Streifzug in Deutschlands internationalster Metropole Frankfurt. Der russische Science-Fiction-Autor und polyglotte Kremlkritiker Dmitry Glukhovsky und die preisgekrönte pakistanisch-britische Schriftstellerin Kamila Shamsie diskutieren über die globalen Fragen der Gegenwart. Ein tiefgängiger und zugleich rasanter Abend, der die Erfahrungen kritischer Künstler in einem Klima zunehmend antidemokratischer Tendenzen unmittelbar erlebbar macht.
Der Abend beginnt mit einem Besuch der 70. Frankfurter Buchmesse, die das Jubiläum der Menschrechtscharta zum übergreifenden Thema gemacht hat. Als Institution für Meinungsfreiheit und internationalen Dialog wird sie zur idealen Kulisse für diese Nacht im Spannungsfeld von politischem Zeitgeschehen und Literatur. Die politische Haltung von Glukhovsky (Metro 2033, Text) und Shamsie (Hausbrand) sind eng mit ihrem Schriftwerk verzahnt: So sind der global zunehmende Rechtsruck, Grauzonen für künstlerische Freiheiten in autokratisch geführten Demokratien und der Umgang mit Überwachung die zentralen Themen ihrer Begegnung.
Im Verlauf des Abends spielen die beiden das Ego-Shooter-Spiel „Metro – Last Light“, das auf Glukhovskys international erfolgreichem „Metro“-Universum beruht. Die Charaktere des postsowjetischen Spiels trauern der alten Sowjetunion hinterher. Diese Nostalgie früherer Imperien benennen beide Schriftsteller als Hauptursache aktueller Autonomie- und Autokratiebestrebungen.
Im Anschluss treffen sie die auf künstliche Intelligenz spezialisierte Rechtsanwältin Claudia Otto, mit der sie gemeinsam feststellen, dass Glukhosky langsamer Science-Fiction schreibt, als sie von Tech-Konzernen real produziert wird. Aber sich davon einschüchtern lassen?
Shamsie betont, dass sie in Pakistan nie politische Einschüchterung erlebt habe, da sie ihre Werke in Englisch verfasst. „Es sind die Journalisten, die Schwierigkeiten bekommen.“ Beim Treffen mit der inzwischen im deutschen Exil lebenden türkischen Autorin und Physikerin Aslı Erdoğan erfahren sie konkret, wie sich das anfühlt. Sie verbrachte 17 Monate im Gefängnis und wurde zur Symbolfigur für Meinungsfreiheit und das Ausmaß der türkischen Willkürherrschaft.
Freie Meinungsäußerung, das verdeutlicht dieser Abend, ist ein akut schützenswertes Menschenrecht.
Real Men
Regie: Hasko Baumann
Produzentin: Edda Baumann-Von Broen
Jahr: 2018
Dauer: 52/74/90 Min.
Vertrieb: Rise And Shine Cinema
Weltpremiere: Comic-Con
International Independent Film Festival,
San Diego, 2019
clarberlin
„Real Men” untersucht den Mythos des männlichen Leinwandhelden und seine Bedeutung in der westlichen Welt. Der Film beschäftigt sich mit professioneller Imagebildung in Hollywood als auch mit männlicher Identitätssuche und der reziproken Einflussname von realen Männern und filmischen Rollenmodellen.
REAL MEN ist ein Dokumentarfilm über die Herstellung von Männerbildern in Hollywood und deren Auswirkungen auf die Gesellschaft. Hollywood ist die größte und mächtigste Geschichtenfabrik, die es gibt. Was hier an konservativen Geschlechterrollen entwickelt wird, hat Einfluss auf Kinder, Jugendliche und Erwachsene auf der ganzen Welt.
Stärke, Durchsetzungsvermögen, Selbstsicherheit – die Attribute dessen, was unsere Gesellschaft unter einem „echten Kerl“ versteht, scheinen nicht an Gültigkeit zu verlieren. Vieles von dem, was nicht nur Männer unter Männlichkeit verstehen, geht auf die Vorbilder des Kinos zurück. Von Bogart über Bond bis zu Rocky und Rambo: Es sind künstlich hergestellte Rollenbilder, die vom Zeitgeist beeinflusst werden und ihn umgekehrt bestimmen.
REAL MEN untersucht dieses Männlichkeitsbild. Der Film zeigt, wie es sich über die Jahre entwickelt hat – und hinterfragt den Einfluss auf das Publikum sowie auf gesellschaftliche wie politische Strukturen. Ist ein Männerbild, wie es über so viele Jahrzehnte prägend war, in Zeiten von #metoo noch vertretbar? Repräsentiert der große weiße Held nicht nur einen Bruchteil des Publikums? Und wie werden diese Vorbilder konstruiert und aufgebaut?
Der Dokumentarfilm ist aber auch ein Blick hinter die Kulissen der Imagebildung in Hollywood und eine Liebeserklärung an die toughen Helden des Kinos.
Echte Vorbilder klassischer Männerikonen wie Cowboys und Polizisten kommen dabei genauso zu Wort wie Schauspieler, die einst eine Ära geprägt haben. So gibt es ein Wiedersehen mit dem einmaligen James-Bond-Darsteller George Lazenby, dem Blaxploitation-Star Fred Williamson oder dem untypischen 80er-Actionstar Michael Dudikoff. Der Film macht sich mit Augenzwinkern die Ästhetik und die überlebensgroßen Bilder des Kinos zu eigen – ein humorvoller, anderer Beitrag zur derzeit so hitzig geführten Diskussion um Männlichkeit.
Durch die Nacht mit Oskar Roehler und Lars Eidinger
Produktion: avanti media plus
Regie: Hasko Baumann und Edda Baumann-von Broen
Jahr: 2018
Dauer: 52 Minuten
clarberlin
Zwei Enfants terribles, die in ihrer Arbeit furchtlos sind, ziehen durch die Berliner Nacht und testen die Grenzen des politisch Korrekten aus. Zwischen dem umjubelten Schaubühnenstar und Filmschauspieler Lars Eidinger und dem kontroversen Regisseur und Schriftsteller Oskar Roehler entspinnt sich ein lebhafter, von Bewunderung und Irritationen geprägter Austausch über politische Verantwortung und die eigene künstlerische Identitätsfindung.
Begegnet sind sie sich vor zwei Jahren, als der Regisseur den Schauspieler für ein Casting zu seinem geplanten Fassbinder-Film eingeladen hatte. Laut Eidinger war es „Liebe auf den ersten Blick“. Roehler, der wortgewandte Intellektuelle und einsame Wolf, Eidinger, der instinktive Bauchmensch, der seit 1999 Ensemblemitglied der Berliner Schaubühne ist, beide rastlos in ihrer Kreativität, multitalentiert – ein Abend unter Gleichbegabten, Gleichgesinnten. Denkt man. Doch der Abend wird zur Herausforderung. Es geht einen Riss durch die deutsche Gesellschaft, der auch und gerade vor der deutschen Kulturlandschaft nicht haltmacht. Er sei eher rechts, wirft der genialische Regisseur und Autor früh an diesem Abend in den Raum. Eidinger zeigt sich irritiert, bohrt aber nach.
Auf dem Weg zum „Diener Tattersall“, einst Stammlokal von Rainer Werner Fassbinder, weitet sich die politische Diskussion aus. Eidinger will seinen Reichtum teilen, Roehler kontert: „Du teilst als Künstler doch schon genug. “ Beim Bratwürstchen und Sülze nähern sich die beiden wieder an. Man sollte immer fragen, wo der andere herkommt, mahnt Roehler an, „nicht nur den syrischen Flüchtling.“
Im Atelier des Videokünstlers John Bock sprechen sie ausgelassen über künstlerische Einflüsse und Regisseure, die sie lieben. Roehler und Bock entdecken die gemeinsame Liebe für das Abgründige und beschließen, „American Psycho“ neu zu verfilmen, bevor der Abend sich in einer Billardkneipe zuspitzt: Hier wartet der ehemalige Burgschauspieler Oliver Masucci, der zuletzt im Film „Er ist wieder da“ Adolf Hitler gespielt hat und Eidinger nicht nur politisch herausfordert.
Durch die Nacht mit Igudesman & Joo
Produktion: avanti media plus
Regie: Edda Baumann-von Broen und Aljoscha Hofmann
Jahr: 2017
Dauer: 52 Minuten
clarberlin
Ohne Frage sind die Salzburger Festspiele ein Mekka für viele Klassik-Fans aufgrund gigantische Inszenierungen und großer Namen der klassischen Musikwelt, doch manchen schien das Festival in der Vergangenheit zu gediegen und pompös.
Geiger Aleksey Igudesman und der Pianist Hyung-ki Joo schauen wenige Tage vor den ersten Premieren hinter die Kulissen und treffen alte Freunde und neue Bekannte. Viele Musiker der jüngeren Generation schätzen die ungewöhnliche Kombination von Klassik und Humor und die virtuosen musikalischen Sketche von Igudesman & Joo.
Als Erstes treffen die beiden ihre Freundin Sarah Wedl-Wilson, die Co-Leiterin der Universität Mozarteum Salzburg. Danach geht es in das Haus der Festspiele. Dort begegnet ihnen zunächst die gutgelaunte Präsidentin der Salzburger Festspiele. Helga Rabl-Stadler nimmt sie mit hinter die Kulissen der Felsenreitschule und steigt auf den Humor der beiden ein. Am Ende steht sogar eine vage Einladung für das nächste Jahr im Raum.
Als Nächstes holen die beiden Vladimir Jurowski, der in diesem Jahr Alban Bergs “Wozzeck” dirigiert, von den Proben ab und erkundigen sich, wie es läuft. Auf der spektakulären Dachterrasse des Festspielhauses sprechen sie mit Jurowski darüber, wie es ist, ein Dirigentensohn zu sein und über Frank Zappa.
Anschließend musizieren sie mit ihrer Freundin, der Sopranistin Asmik Grigorian, die im “Wozzeck” singt, in einem Probenraum des Festspielhauses. Gern würden sie auch für Peter Sellars die Bühne fegen, aber das Festival wacht scharf darüber, dass Proben und Künstler nicht gestört werden.
Im Gourmetrestaurant Ikarus, in dem zur Zeit der französische Sternekoch Daniel Boulud, der in den USA ein Superstar ist, schottisches Essen kocht, treffen Igudesman & Joo ihre Freundin, die Performance-Künstlerin und Enkelin von Charlie Chaplin, Aurelia Thierrée. Gemeinsam philosophieren sie über die Schwere der Leichtigkeit, über Timing und Humor und die Schwierigkeit, ihre Arbeit einzuordnen.
Danach kämpfen sie sich durch den heftigen Sommerregen zum Domplatz vor, an dem sie ihren Bekannten Michael Sturminger treffen wollen. Der inszeniert in diesem Jahr den Jedermann und will wenige Tage vor der Premiere die Beleuchtung testen. Doch der Domplatz steht nach heftigen Regengüssen unter Wasser und Igudesman & Joo werden von Sturminger in die inoffizielle Festspielhaus-Kantine “Resch&Lieblich“ beordert. Das Restaurant platzt auch um Mitternacht noch aus allen Nähten. Dort treffen sie neben dem Regisseur auch Peter Lohmeyer, der schon zum fünften Mal den Tod im Jedermann spielt.
Zur späten Stunde empfängt sie noch Teodor Currentzis in seinem Salzburger Domizil. Der Dirigent, der als Klassikrebell gilt, hat wenig Muße für Oberflächlichkeit. Stattdessen diskutiert er mit den beiden über Mozarts Leben und die Frage, ob Dirigenten notwendig sind. Als der Regen endlich nachlässt, machen sich Igudesman und Joo müde, aber beeindruckt von den vielen Begegnungen, auf den Weg zurück nach Wien.
Boys and Bows
Koproduktion: avanti media plus & Mijin Lee
Regie: Donghan Lee
Jahr: 2017
Dauer: 52 Minuten (TV) / 60 Minuten (Kino)
Zwei Stunden von Seoul entfernt befindet sich umgeben von Reisfeldern die Byoungcheon Highschool, die in langer Tradition ein Bogenschützenteam ausbildet. Die Schule hat ein schlechtes Renommee, sie ist eine sogenannte 3. Klasse-Schule. Unpopulär ist auch das Bogenschießen, obwohl Südkoreaner große Erfolge in der Präzisionssportart verzeichnen.
Auch wenn die sieben jungen Bogenschützen wenig professionelle Unterstützung von der Schule bekommen, sind sie glücklich jeden Schultag von 9-21 Uhr ihren Bogen zu spannen und bis zu 1000 Pfeile am Tag zu schießen. Anders als die meisten Jugendlichen in Südkorea, erfüllen diese Jungs nicht die Traum ihrer Eltern indem sie auf ein gutes College gehen, sondern ihren eigenen: Den perfekten Treffer zu landen.
Zwei Protagonisten stehen im Vordergrund: Der 17-jährige Unruhestifter Kookhyun, der gern irritiert und täglich vom Coach gemaßregelt wird, hat sich – aus schwierigen Familienverhältnissen kommend – als Schlusslicht des Teams nach oben gearbeitet. Der 18-jährige Jeayup, mit der immergleichen Mimik, ist er das Ass des Byoungcheon-Teams, doch bleibt die Nummer zwei in seiner Altersklasse. Kann er es schaffen mit dem Bogen seine Sorgen und seinen Rivalen zu bewältigen?
Regisseur Donghan Lee, ehemaliger Sozialarbeiter, hat die jungen Athleten ein Jahr lang auf Wettbewerben und im Alltag begleitet. Er zeichnet ein sehr persönliches Portrait der jungen Athleten, ihrer Erfolge und Misserfolge und erforscht das Bogenschießen als Teil ihrer Identitätsfindung.
Durch die Nacht mit Jim Rose und Joe Coleman
Produktion: Edda Baumann-von Broen
Regie: Hasko Baumann
Jahr: 2016
Dauer: 52 Minuten
clarberlin
Willkommen in der Manege! Der Freakshow-Meister Jim Rose hat mit seinem »Jim Rose Circus« die dunkle Seite des Zirkus zum Millionenunternehmen gemacht. In seiner französischen Wahlheimat Nantes trifft er seinen Lieblingskünstler, den legendären New Yorker Maler Joe Coleman. Ein Abend voller Sensationen, mit zwei wahren Meistern des Abseitigen als Conférenciers.
Eine Reise zu den Anfängen des Zirkus, als das Spektakel vor allem aus Kuriositäten bestand. Der Amerikaner Jim Rose hat in den 90ern mit seinem »Jim Rose Circus« die klassische Freakshow wiederbelebt und zu einem Millionenunternehmen gemacht. Er brachte es sogar zu Gastauftritten bei den »Simpsons« und »Akte X«. In seiner französischen Wahlheimat Nantes begegnet er seinem Lieblingskünstler, dem legendären Maler und Provokateur Joe Coleman. Coleman war schon als Kind von der dunklen Seite der Zirkuswelt fasziniert. Seine Bilder zeigen das Abseitige der amerikanischen Kultur, Stars wie Johnny Depp zählen zu seinen Verehrern.
Nantes erweist sich als perfekter Treffpunkt für die zwei Fans des Phantastischen. Sie bestaunen den mechanischen Riesenelefanten auf der »Maschineninsel«, begegnen dem Hologramm-Künstler Pierrick Sorin und besuchen das Jules-Verne-Museum. Gemeinsam geht es zur Zirkusschule »Chapidock«, wo Rose an alte Zeiten als Jongleur anzuknüpfen versucht und Coleman mit einer Feuerkünstlerin Flammen in den Nachthimmel schießt. Die Zirkuskommune »Quai des Chaps« inspiriert Jim Rose zu einigem Unsinn – mit schmerzhaftem Ausgang für seine Opfer.
Coleman und Rose: Zwei Männer, die auf ein extremes Leben voller Drogen und Exzesse zurückblicken; der eine ein Freakshow-Ringmaster mit Spaß an Tricks und Betrug, der andere ein Künstler mit Hang zum rücksichtslosen Selbstversuch. Die Zuneigung zwischen diesen beiden außerordentlichen Geschichtenerzählern könnte nicht größer sein. Und so platzt beim Essen die wohl ultimative Liebeserklärung aus Jim Rose heraus: »Joe, du bist echt verrückt.«
Durch die Nacht mit Thurston Moore und Phil Collins
Produktion: Edda Baumann-von Broen
Regie: Hasko Baumann
Jahr: 2016
Dauer: 52 Minuten
clarberlin
Die Indierock-Ikone Thurston Moore (Sonic Youth) und der britische Videokünstler Phil Collins ziehen anlässlich des Pop-Kultur-Festivals durch die Berliner Nacht. Unterwegs treffen sie das frühere RAF-Mitglied Astrid Proll und den Künstler Scott King. Ein lebhafter Austausch bei Bier und Zigaretten über Kunst, Musik und die Liebe zur deutschen Hauptstadt.
Das Pop-Kultur Festival in Berlin bringt unterschiedlichste Künstler auf die Bühnen Neuköllns und regt einen interdisziplinären Austausch an. Ganz im Sinne von “Durch die Nacht mit …”, das zwei der spannendsten Gäste des Festivals vereint.
Der New Yorker Musiker Thurston Moore, der sich in den Listen der besten Gitarristen der Welt stets unter den Top 20 findet, hat mit seiner Band Sonic Youth dem Indie-Rock welcomes . Der britische Videokünstler und Fotograf Phil Collins begeistert seit Jahren mit politischer Mitmach-Kunst, die ihm bereits 2006 eine Nominierung für den Turner Prize bescherte.
Collins, der an der Kölner Kunsthochschule für Medien lehrt, lebt in Berlin und empfängt dort den frischgebackenen Wahl-Londoner Moore. Beide haben den größten Respekt vor der Arbeit des Anderen, sodass bei Bier und Zigaretten schnell ein lebhafter Austausch entsteht.
Gemeinsam besichtigen sie den Publikumserfolg “Manifesto” im Hamburger Bahnhof, für das der Künstler Julian Rosefeldt die Schauspielerin Cate Blanchett in ein Dutzend Rollen performen ließ. Mindestens genauso beeindruckt sind die zwei von der anschließenden Begegnung mit der Fotografin und einstigen RAF-Mitstreiterin Astrid Proll. Später am Abend zeigt ihnen der Künstler Scott King seine Sammlung an Rock-Memorabilia. Aber Collins und Moore haben ihre Zweifel: Ist das wirklich Kurt Cobains Feuerzeug oder flunkert King ein bisschen?
Die letzte Station des Abends ist die Neuköllner Kneipe “Das Gift”, die Collins mit einem Mitglied der Band Mogwai betreibt. Hier gesellt sich auch Thurston Moores Lebensgefährtin, die Herausgeberin Eva Prinz, zu dem britisch-amerikanischen Duo. Bei ausgelassener Stimmung findet eine amüsante und sehr unterhaltsame interdisziplinäre Nacht ihr spätes Ende.